Reinkarnation
Der Mensch im Wechsel von Tod und Wiedergeburt
Der Begriff der Reinkarnation, auch Wiedergeburt oder Seelenwanderung genannt, bezeichnet die nach dem körperlichen Tod erneute Manifestierung der Seele in einem anderen Körper als Bestandteil eines göttlichen Prinzips. Der Reinkarnations-Glaube ist in östlichen Kulturen weit verbreitet, wobei Sinn und Zweck der Wiedergeburten je nach Religion unterschiedlich gedeutet werden. Im Buddhismus und im Hinduismus, der ältesten, noch existierenden Religion der Welt, spielt die Reinkarnation eine zentrale Rolle. Doch auch im Ur-Christentum soll die Reinkarnation fester Bestandteil des Glaubens gewesen sein.
Einige der bedeutendsten Denker des Westens befürworteten den Gedanken der Reinkarnation, wie beispielsweise Pythagoras, Plato und Origenes, oder in neueren Zeiten Goethe, Kant und Schopenhauer. Durch das Zusammenwachsen der Kulturen verbreitete sich der Reinkarnationsgedanke vom 19. Jahrhundert an auch in Europa und Amerika. Das Aufkommen der Theosophie und Anthroposophie, Yogaschulen, indische Gurus, die Hippie-Bewegung und die Esoterik-Welle der 80er Jahre sorgten dafür, dass das fernöstliche Gedankengut immer mehr Anhänger fand.
Dass der Reinkarnations-Gedanke bis heute nichts an Faszination einbüßt, liegt darin begründet, dass immer wieder von Menschen berichtet wird, die behaupten, sich an ihr bisheriges Leben erinnern zu können. Schon seit der Antike gibt es solche Berichte. Aber erst im 20. Jhd. begann man, diesen Phänomenen systematisch auf den Grund zu gehen. Die Reinkarnationsforschung untersucht derartige Fallberichte, um herauszufinden, ob es sich um wirkliche Erinnerungen an frühere Leben handelt. Häufig stellt sich heraus, dass die untersuchten „Erinnerungen“ ganz anders zu erklären sind. Gerade bei sog. „Rückführungen“ unter Hypnose, ein heute beliebtes Mittel zur Behandlung seelischer Probleme, handelt es sich manchmal um Fälle von Kryptomnesie. Dies bezeichnet eine Schein-Erinnerung an Dinge, deren Informationsquelle man vergessen hat. So gestaltet man beispielsweise sein „früheres Leben“ unbewusst unter Zuhilfenahme von historischen Romanen oder Filmen. Doch mag das nicht für alle Fälle gelten.
Inzwischen gibt es weltweit über 3000 dokumentierte Reinkarnations-Berichte. Unter ihnen findet sich eine beträchtliche Anzahl von Fällen, welche intensiv erforscht wurden und sich nur dadurch erklären lassen, dass es sich tatsächlich um Reinkarnation handeln könnte. An erster Stelle sei hier die Arbeit des kanadischen Psychiaters Prof. Ian Stevenson genannt. Er gilt als Begründer der Reinkarnationsforschung und fand durch seine sorgfältige Forschungsarbeit weltweit Anerkennung.
Besonderes Aufsehen in der Öffentlichkeit erregten die spontanen Erinnerungen von Kindern, die von Stevenson in einem Zeitraum von 40 Jahren untersucht wurden. Diese Erinnerungen gelten als besonders zuverlässig, da sie größtenteils verifiziert werden konnten. Die untersuchten Spontan-Erinnerungen, die zum Großteil aus Südostasien stammen, folgen meist einem Grundmuster. In der Regel beginnt das Kind im Alter von 2 bis 5 Jahren, unaufgefordert (spontan) von seinem Vorleben zu erzählen. Sehr häufig bedrängt es die Eltern, es in die alte Gemeinschaft zurückkehren zu lassen, in der es nach seinen Behauptungen früher gelebt hatte. Wenn das Kind ausreichende Einzelheiten aus seinem früheren Leben schildert, beginnen die Eltern – meist widerwillig – Nachforschungen anzustellen. Auf diesem Wege lernen sich beide Familien kennen und befragen das Kind, ob es Orte, Personen oder Gegenstände wiedererkennt. Bei solchen Gelegenheiten zieht der Fall größere Aufmerksamkeit auf sich und wird allgemein bekannt.
Charkakteristische Merkmale überprüfter Reinkarnations-Berichte:
- Die Informationen über das Vorleben konnten auf gewöhnlichem Wege nicht erfahren worden sein. Die Erinnerungen sind verifizierbar.
- Kinder erzählen den Eltern unaufgefordert von ihren Erinnerungen, meist ab einem Alter von zwei Jahren. Die Erinnerungen verblassen in der Regel mit dem Erreichen der Pubertät.
- Kinder erkennen frühere Verwandte oder Freunde. Sie kennen Details aus dem Familienalltag.
- Kinder kennen sich in ihrem früheren Zuhause aus.
- Das Kind verfügt über Verhaltensweisen und Charaktermerkmale der verstorbenen Person (Phobien, Neigungen,Sprechgewohnheiten etc.)
- Körperliche Merkmale stehen im Zusammenhang mit der Todesursache im Vorleben (z.B. Muttermale oder Fehlbildungen) und erlauben eine objektive und unstrittige Beurteilung der Fälle.
- Todesursachen wurden zutreffend geschildert.
- In der überwiegenden Mehrheit spielt ein gewaltsamer oder zu früher Tod eine Rolle.
- Menschen neigen dazu, in der Nähe ihres Todesortes zu inkarnieren.
- Es werden oft Details genannt, die nur spezialisierten Historikern bekannt sind.
Nachfolgend habe ich als Beispiel vier interessante Reinkarnations-Fälle zusammengefasst, die von Prof. Stevenson untersucht wurden.
Der Fall Prakash
Im April 1950 starb ein 10jähriger Junge namens Nirmal, Sohn von Sri Bholanath Jain, an Pocken im Hause seiner Eltern in der indischen Stadt Kosi Kalan. Am Tag seines Todes war er reizbar und sagte zu seiner Mutter: „Du bist nicht meine Mutter, du bist eine Jatni. Ich will zu meiner Mutter gehen.“ Dabei deutete er in die Richtung der Stadt Chhatta. Kurz danach starb er.
Im August 1951 brachte die Ehefrau von Sri Brijlal Varshnay in Chhatta einen Sohn zur Welt, den man Prakash nannte. Als er viereinhalb Jahre alt war, begann er nachts aufzuwachen und auf die Straße zu laufen. Wenn man ihn anhielt, pflegte er zu sagen, er gehöre nach Kosi Kalan, sein Name sei Nirmal und er wolle nach Hause gehen. Sein Vater hieße Bholanath, und hätte vier Läden in Kosi Kalan. Das ging so einen Monat lang. Im Alter von fünf Jahren erinnerte der Junge sich lebhaft an Namen von Verwandten und Freunden aus seinem Vorleben und äußerte immer lautstarker den Wunsch, in sein Heimatdorf zurückkehren zu dürfen. Die Eltern versuchten alles, um dem Sohn seine Phantasien auszutreiben, der Vater schlug ihn letztlich sehr oft deswegen.
Im Frühjahr 1961 fand in Chatta eine Begegnung zwischen Prakash und Sri Bholanath Jain statt, der durch einen Zufall davon hörte, dass Prakash ihn für seinen früheren Vater hielt. Prakash erkannte ihn sofort und versuchte vergeblich, mit nach Kosi Kalan mitgenommen zu werden. Einige Tage später besuchten die Frau von Sri Bholanath Jain sowie zwei seiner Kinder Prakash in Chatta. Dieser weinte vor Freude, als er seine „Geschwister“ wiedererkannte. Auf Bitten der Besucher durfte Prakash später in Begleitung seiner Eltern nach Kosi Kalan kommen. Den Weg von der Busstation zum Hause der Jains fand Prakash anhand seiner Erinnerungen wieder. Vor dem Haus zögerte er. In der Tat war der Hauseingang seit damals verändert worden. Dort im Hause erkannte er weitere Geschwister, eine Tante sowie mehrere Nachbarn korrekt wieder.
Die Familie Jain kam zu der Überzeugung, dass ihr Sohn Nirmal als Prakash wiedergeboren wurde. Als Prakashs Sehnsucht immer stärker wurde, bei der Familie Jain zu wohnen, fing er wieder an von zu Hause wegzulaufen. Prakashs Eltern brachen den Kontakt ab, da sie nun auch befürchteten, die Jains würden Prakash adoptieren wollen.
Der Fall Jasbir
Im Frühjahr 1954 glaubte man, Jasbir, der dreieinhalb Jahre alte Sohn von Girdhari Lal Jat aus Rasulpur, sei an Pocken gestorben. In der auf den Todestag folgenden Nacht bemerkte man jedoch, wie Jasbir sich bewegte und langsam zum Leben zurückkehrte. Nach einigen Wochen war er soweit genesen, dass er wieder klar sprechen konnte. Es wurde aber eine merkwürdige Veränderung in seinem Verhalten festgestellt, denn er erklärte nun, er sei der Sohn von Shankar aus dem Dorf Vehedi und gehöre der höhreren Bramahnen-Kaste an. Da er sich hartnäckig weigerte, normale Nahrung zu sich zu nehmen, übernahm eine Nachbarin für den Jungen das Kochen nach Bramahnenart. Jasbir erzählte weitere Einzelheiten aus seinem früheren Leben, z.B. dass er auf einer Hochzeitsprozession vergiftet wurde und später aufgrund des Schwindelanfalls vom Wagen fiel und starb.
Jasbirs Vater versuchte, das seltsame Benehmen seines Sohnes geheim zu halten, doch die Umstände seiner Ernährung sprachen sich rum. So kam es, dass drei Jahre später eine Bramahnin, die einen aus Vehedi gebürtigen Mann namens Sri Ravi Dutt Sukla geheiratet hatte, bei einem Besuch in Rasulpur auf Jasbirs Geschichte aufmerksam wurde. Bei einem Treffen erkannte Jasbir sie als seine "Tante" wieder. Diese berichtete ihrem Ehemann und Mitgliedern der Familie Tyagi in Vehedi, was sie von Jasbir erfahren hatte. Es stellte sich heraus, dass die Umstände seines "Todes" sowie andere Dinge genau übereinstimmten mit dem Leben und Sterben eines jungen Mannes namens Sobha Ram, dem Sohn von Sri Shankar Lal Tyagi aus Vehedi. Dieser war im Mai 1954 bei einem Wagenunfall ums Leben gekommen.
Daraufhin kam es zu einem Treffen zwischen Jasbir und der Familie Tyagi. Jasbir erkannte Sri Shankar Lal Tyagi als seinen „Vater“ wieder wie auch Mutter, Schwester, Schwiegermutter, Großvater und Nachbarn. Die Namen seiner Ehefrau und seines Sohnes konnte er benennen. Es stellte sich heraus, dass er über ein detailliertes Wissen der Familie Tyagi verfügte. Im Ort Vehedi selbst kannte er sich gut aus, obwohl er vorher nie dort gewesen war. Jasbir wollte nur noch in Vehedi leben und fühlte sich in Rasulpur isoliert und einsam.
Der Fall Ravi Shankar
Am 19. Januar 1951 wurde Ashokumar, in seiner Familie Munna genannt, der sechs Jahre alte Sohn des Friseurs Sri Jageshwar Prasad aus der Stadt Kanauj, von seinem Spiel weggelockt und von zwei Nachbarn mit einem Messer brutal ermordet. Die mutmaßlichen Mörder wurden zwar verhaftet, mussten wegen mangelnder Beweise aber wieder auf freien Fuß gesetzt werden.
Einige Jahre später erfuhr Sri Jageshwar Prasad, dass ein 1951 geborener Junge namens Ravi Shankar, der in einem anderen Distrikt der Stadt wohnte, angeblich behauptete, er heiße Munna und sei der Sohn von Jageshwar, einem Friseur in Kanauj. Der dreijährige Ravi Shankar konnte Einzelheiten seines früheren Todes nennen, wie die Namen der Mörder, den Tatort des Verbrechens sowie weitere Umstände aus dem Leben des Munna. Daraufhin begab sich Sri Jageshwar Prasad zum Elternhaus von Ravi Shankar, um mehr über die Geschichte herauszufinden.
Ravi Shankars Vater fühlte sich jedoch belästigt und verweigerte eine Zuammenarbeit. Er verprügelte seinen Sohn fortan des öfteren, damit dieser aufhörte, über sein vergangenes Leben zu reden, und tat alles dafür, dass man auch in der Nachbarschaft den Fall vergessen möge. Eine Kommunikation zwischen Sri Jageshwar Prasad und Ravi Shankar wurde nach dem Tod des Vaters möglich. Ravi Shankar erkannte in Sri Jageshwar Prasad seinen Vater aus dem Vorleben wieder und konnte ihm Details aus diesem Leben benennen, wie z.B. einzelne Spielzeuge, die dem getöteten Munna gehörten. Ebenso konnte er die genauen Einzelheiten über „seine“ Ermordung mitteilen. Dabei zeigte er ein geradliniges Muttermal am Hals, welches er von Geburt an hatte und sagte, dies stamme von der Wunde, die die Mörder ihm mit dem Messer zugefügt hätten. Er erzählte, dass der Mord in der Nähe des Chintamini-Tempels stattgefunden habe und seine Leiche verbrannt wurde. Tatsächlich wurde der Kopf von Munna dort gefunden, auch Teile der verbrannten Leiche.
Sri Jageshwar Prasad versuchte aufgrund der neuen Erkenntnisse in dem Mordfall, die sich mit seinen eigenen Vermutungen deckten, den Fall neu aufzurollen. Die Aussagen Ravi Shankars wurden aber vom Gericht als Beweis nicht akzeptiert.
Der Fall Marta Lorenz
Maria Januaria de Oliveiro, im Familienkreis Sinhá genannt, wurde 1890 als Tochter eines wohlhabenden Landwirts in der Nähe des Dorfes Dom Filiciano in Brasilien geboren. Sie hatte eine Freundin namens Ida Lorenz, die Ehefrau von F.V. Lorenz, einem Schullehrer von Dom Filiciano. Als sie mit 28 Jahren an Tuberkulose erkrankte, prophezeite sie ihrer Freundin Ida Lorenz auf dem Totenbett, dass sie wiederkehren und als ihre Tochter geboren werden wolle. Sie weissagte außerdem, dass sie im sprechfähigen Alter dann Dinge aus dem jetzigen Leben erzählen werde, sodass Ida sie daran erkennen könne.
Zehn Monate nach Sinhás Tod brachte Ida Lorenz eine Tochter, Marta, zur Welt. Als das Mädchen zweieinhalb Jahre alt war, begann sie über Ereignisse im Leben Sinhás zu sprechen. Ida hatte ihrem Mann, dem Schullehrer, von der Absicht Sinhás erzählt, als ihre Tochter wiedergeboren zu werden. Das Ehepaar beschloss, niemandem davon zu erzählen und abzuwarten, wie sich die Dinge entwickelten. F.V. Lorenz zeichnete von Anfang an die Äußerungen seiner Tochter Marta auf, welche sie gewöhnlich mit den Worten begann: "... als ich groß war", oder "als ich Sinhá war". Er protokollierte nicht weniger als 120 voneinander unabhängige Erklärungen über Details aus Sinhás Leben, die zutrafen, u.a.:
- Ihr Name sei Sinhá oder auch Maria
- auf dem Anwesen ihres Vaters gebe es Kühe, Ochsen, Orangen und Schafe
- Sinhás Vater war älter als ihr Vater, hatte einen Bart und sprach mürrisch
- Sinhás Vater schlug einen "Negerjungen", weil dieser kein Wasser holte. Sinhá setzte sich für ihn ein.
- Benennung der Verwandtschaft mit der ehemaligen Mutter, der Cousine und dem Patenkind
- Sinhás Beisetzung fand statt unter Teilnahme vieler Farbiger und nur weniger weißer Frauen
- Wiedererkennen einer Uhr im Wohnzimmer von Sinhás Eltern: "Diese Uhr gehörte Sinhá, auf der Rückseite ist ihr Name eingraviert."
Marta schien wie auch Sinhá über Kräfte außersinnlicher Wahrnehmung zu verfügen. Dies äußerte sich z.B., als sie im Alter von fünf bis sechs Jahren nachts eine Vision hatte, in der ein Mädchen namens Celica ihr immer wieder zurief: "Sinhá, Sinhá!" Ihr Vater F.V. Lorenz notierte die Zeit. Am nächsten Morgen kam ein Bote herüber, der die Familie Lorenz zu Celicas Leichenbegängnis einlud. Celica war eine nahe Freundin der Familie und eine Verwandte von Sinhá gewesen, und es stellte sich heraus, dass der Tod des Mädchens sich mit dem Zeitpunkt von Martas Vision deckte.
Zwei weitere, sehr bekannte Fälle von Reinkarnation sind die der Britin Jenny Cockell sowie des indischen Mädchens Shanti Devi.